U2 in München: Magnificient!

Kann Musik heilen? Vermutlich ja, Stimmungen heben und Luftkissen schaffen, auf denen man durch den nächsten Tag gleitet, auf alle Fälle. Am Vorabend aufgeschnappte Melodien kreisen immer noch durch die Gedanken, die diesem Blogpost vorausgingen. Viel gab es zu sehen am Mittwochabend, der für Mitte September erstaunlich warm ausfiel und der nur wenig Regen auf die rund 75.000 Konzertbesucher entsandte. Die Bühne, ein optischer Orgasmus, Hybris und ehrfürchtig machendes State-Of-The-Art in gleichem Maße, spannte sich fast über das gesamte Spielfeld des ehemals für Fußballspiele genutzte Stadion (lange ist es her, gefühlt). Und doch war sie trotz allem nicht mehr als eine Bühne, auf der vier Menschen standen. Für eine Band, die trotz aller zur Schau gestellter Coolness und „Ackermann-Victories“ beim Einzug ins Stadion, untermalt von David Bowies „Space Oddity“, erstmal munter drauflosholzt.

Getreu dem Motto „nach uns der Rhythmus“  dröhnte ein mehr gepresst als gesungenes „Beautiful Day“ so billig durch die Boxen, dass selbst der Programmchef von Antenne Bayern peinlich berührt zur Seite blicken würde. Es folgt ein hektisch-fiebriges „I Will Follow“ und die nach wie vor billigst gemachte, überflüssige, Shownummer „Get On Your Boots“. Der Sound ist zu diesem Zeitpunkt noch schlecht, sollte sich aber zunehmend bessern. Bei „Magnificient“ kommt dann erstmal der Eindruck auf, dass der Abend mit zunehmender Dauer musikalisch besser werden könnte, bekräftigt von einem vitalen „Mysterious Ways“ und dem Gassenhauer „Elevation“ (Sie wissen schon: EH! LÄ! WEI! SCHN! UuuuHuuuu-Huu“), bis mit „Until The End Of The World“ das erste Highlight ansteht. Spätestens bei der Textzeile

In the garden I was playing the tart
I kissed your lips and broke your heart
Except you, you were acting like it was the end of the world

… entspannt sich die Stimmung auf der Bühne hörbar und gibt den Raum frei für die reichlich vorhandenen Nuancen dieses und der folgenden Songs. Und für diese großartigen Melodien, die, allen Vorbehalten gegenüber U2 zum trotz dennoch kaum eine andere Band je in dieser Menge und Emotionalität hervorgebracht hat. „Until The End Of The World“ also, Herzklopfen, danach „I’ve Still Haven’t Found …“ und schließlich ein neuer Song. Bono und The Edge im Rampenlicht, der eine akustisch klampfend, der andere singend. „North Star“, bislang unveröffentlichtes Abfallprodukt einer vergangenen Albumsession, ein kleiner, feiner, wunder-wunderschöner Song, quasi eine Art „One“ in klein. Nur wärmer und mit weniger heuligem Pathos. Ein kleines Juwel. What a fucking surprise! Selbst Bono wirkt überrascht, als das Publikum den Refrain des Songs lange mitsingt und ruft in die Menge „This will go to the internet“. Sogar das Internet kann er jetzt rumkommandieren, denkt man sich.

„In A Little While“ stößt in das gleiche Stimmungshorn und als Bono, an dem der Zahn der Zeit mittlerweile auch mit etwas herzhafterem Biss nagt als früher, „Miss Sarajevo“ meistert – inklusive der anspruchsvolleren Pavarotti’schen Parts – kennt der Jubel im Olympiastadion keine Grenzen mehr. „City Of Blinding Lights“ gerät zu einem einzigen emotionalen Jubelsturm, erneut Herzklopfen, bis „Vertigo“ mit Wucht die Grundfesten des Stadions erschüttert. Hello – hello … Auf der Krawallschiene machen dann „I’ll Go Crazy …“ (in der seltsamen Remixversion) und „Sunday Bloody Sunday“ weiter, „Walk On“ versöhnt zum Ende des regulären Sets die Massen, bevor der erste Zugabenblock ansteht.

Hier folgt die erste Enttäuschung des Abends: „One“ wird nicht akustisch dargeboten, sondern in einer seltsamen halb-Radio-halb-live-Version, also mit Keyboards unnötig verkitscht – das war leider gar nichts, und das obwohl der Song an sich ja eigentlich dank seiner Qualität unkaputtbar ist. Vergeben, vergessen. „Ultraviolet“ im zweiten Zugabenblock bringt die Laser- und Lichtregler nochmal zum Anschlag beziehungsweise räumt die Effektkiste leer, bis dann bei „With Or Without You“ noch einmal Kollektivkuscheln und „waaa haaa haaa haaa“-Gegröhle angesagt ist. Bono trägt mittlerweile ein Trikot des FC Bayern München (so ganz wird er diese Albernheiten wohl nie lassen können, es ist aber schon besser geworden, denkt man allein an das weiße Weltreligionen-Stirnband von der 2005er Stadionshow in München…) und „Moment Of Surrender“ schickt die Massen endgültig nachhause. Geflasht von der Riesenbühne mit ihrer Riesenshow, beeindruckt von Bonos Qualitäten als Frontschwein, berührt von der Kraft und Schönheit der knapp zwei Dutzend Songs. Well done, boys. Why are they always so fucking good? ms

Setlist U2 in München, Olympiastadion – 15.09.2010

Return of the Stingray Guitar
Beautiful Day
I Will Follow
Get On Your Boots
Magnificent
Mysterious Ways
Elevation
Until The End Of The World
I Still Haven’t Found What I’m Looking For
North Star
Mercy
In A Little While
Miss Sarajevo
City Of Blinding Lights
Vertigo
I’ll Go Crazy If I Don’t Go Crazy Tonight (Remix)
Sunday Bloody Sunday
Mothers of the Disappeared
Walk On

One
Where The Streets Have No Name

Ultraviolet (Light My Way)
With Or Without You
Moment Of Surrender


Zum Vergleich: Setlist U2 in Gelsenkirchen, 03.08.09
Breathe
No Line On The Horizon

Get On Your Boots

Magnificent

Beautiful Day

Elevation

I Still Haven’t Found What I’m Looking For

Stuck In A Moment You Can’t Get Out Of

Unknown Caller

The Unforgettable Fire

City Of Blinding Lights

Vertigo

I’ll Go Crazy If I Don’t Go Crazy Tonight (Remix)

Sunday Bloody Sunday

Pride (In The Name Of Love)

MLK

Walk On

Where The Streets Have No Name

One


Ultraviolet (Light My Way)

With Or Without You

Moment Of Surrender

Neue“ Songs in München – im Vergleich zu Gelsenkirchen
Return of the Stingray Guitar
I Will Follow
Mysterious Ways
Until The End Of The World
North Star
Mercy
In A Little While
Miss Sarajevo
Mothers of the Disappeared

Ein Kommentar zu „U2 in München: Magnificient!

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