VPLT bedauert Loveparade-Urteil, wir fordern dagegen einen Prozess

Nicht nur die Kasse4 ist fassungslos angesichts der jüngsten Entwicklung in der juristischen Aufarbeitung der Loveparade-Katastrophe. Auch der Verband der Medien- und Veranstaltungstechnik VPLT bedauert sie. Und schreibt …

Sicherheit ist das Fundament der Arbeit in der Veranstaltungswirtschaft. Auftraggeber und Auftragnehmer müssen Verantwortung übernehmen. Nur so kann die nachhaltige Professionalisierung gelingen. Kurz vor dem Start der Open-Air-Saison spürt die Veranstaltungsbranche wie sehr ihr Wirtschaftszweig in den vergangenen Jahren gewachsen ist. „Event-Technik boomt“, lässt sich die Entwicklung zusammenfassen. Doch angesichts der Diskussion um die Loveparade-Katastrophe ist es die Aufgabe aller Akteure, sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden. Einmal mehr werden wir daran erinnert, wie wichtig Prävention in der Veranstaltungsbranche ist.

Für die Angehörigen und Betroffenen ist es nun sicher noch schwerer, mit den Erlebnissen umzugehen. Aber auch die Verurteilung vermeintlich Schuldiger hätte nichts an der Tragödie geändert. Wir müssen als Branche, deren Teil wir sind, die richtigen Schlüsse aus den Ereignissen ziehen und alles dafür tun, dass Veranstaltungen sicher sind. Hier sind die Betreiber und Veranstalter als Erste gefragt, aber auch die Technik und das Know-how unserer Mitglieder spielen eine große Rolle.
Einmal mehr zeigt sich auch, dass die richtige Auswahl von Auftragnehmern und auch deren Kontrolle elementar für das spätere Ergebnis sind, sei es bei Gutachtern in Strafverfahren, Planern von Sicherheitskonzepten oder bei Dienstleistern in der Veranstaltungstechnik. Sicherheit ist ein elementarer Aspekt unserer Arbeit und ein wichtiger Teil bei der nachhaltigen Professionalisierung der Branche. Der Verantwortung für die Sicherheit der Beteiligten müssen wir uns jeden Tag bewusst sein und wir müssen ihr einen hohen Stellenwert einräumen. Das ist unsere moralische Verpflichtung und Aufgabe und zwar völlig unabhängig davon, ob eine juristische Schuld festgelegt werden kann oder nicht!
Der VPLT setzt sich deshalb für eine größere Verantwortung bei den Auftraggebern und – nehmern ein. Sobald auf Qualität verzichtet wird, gefährden wir nicht nur die Produktion,
sondern auch die Besucher und Nutzer und schaden im Endeffekt der ganzen Branche.

Als Interessensvertretung der Dienstleister und Hersteller sieht sich der VPLT undsoweiter und so fort blabla …

Die Kasse4 teilt im wesentlichen die Meinung des Verbands, beharrt aber auf einer Verhandlung – diese Katastrophe hatte Schuldige, die durch ihr Fehlverhalten das Leben Unschuldiger beendet und das Blut vieler an den Händen haben. Weltweit finden Tag für Tag Großveranstaltungen ohne massive Zwischenfälle statt. Dass es anders und besser „geht“, ist also längst bewiesen. Dass es in Duisburg „nicht ging“ genauso. Und daran war nicht der liebe Gott Schuld oder das Wetter oder Außerirdische. Sondern laut Staatsanwaltschaft auf Seiten der Behörden:

  • Der ehemalige Beigeordnete der Stadt Duisburg für Stadtentwicklung, Jürgen D. (67)
  • die Leiterin des Amtes für Baurecht und Bauberatung, Anja G. (48)
  • der Abteilungsleiter im Amt für Baurecht und Bauberatung, Reimund D. (55)

Vorwürfe der StA: Das Baugenehmigungsverfahren für die Veranstaltung wurde nicht ordnungsgemäß beaufsichtigt – bei pflichtgemäßer Überwachung hätten schwerwiegende Planungsfehler erkannt und die Genehmigung verweigert werden müssen.
Vorwürfe der StA an Jürgen D.: Er hätte die Amtleiterin Anja G. überwachen müssen. Zudem habe Jürgen D. die Mitarbeiter des Bauamts am Tag der Veranstaltung davon entbunden, eine abschließende Kontrolle des Geländes durchzuführen.
Vorwürfe der StA an Anja G.: Sie hätte den Abteilungsleiter Reimund D. und das Prüfungsteam überwachen müssen.
Vorwürfe der StA an Reimund D.: Er hätte das Prüfungsteam überwachen müssen.

  • der Sachgebietsleiter der Amts für Baurecht und Bauberatung, Ralf J. (52)
  • ein technischer Sachbearbeiter Amt für Baurecht und Bauberatung, Peter G. (52)
  • ein weiterer technischer Sachbearbeiter im Amt für Baurecht und Bauberatung, Ulrich B. (59)

Vorwürfe der StA an alle drei Herren, die ein „Genehmigungsteam“ bildeten: Erteilung der Genehmigung ohne Vorliegen der formellen und inhaltlichen Voraussetzungen der Bauordnung und der Sonderbauverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen. Inbesondere habe das Einvernehmen über das geforderte Sicherheitskonzept unter Beteiligung von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst gefehlt. Die Sicherheit der Besucher sei durch Planungsfehler nicht gewährleistet gewesen. Die Staatsanwaltschaft hält fest, dass aus ihrer Sicht alle sechs städtischen Bediensteten aufgrund der Kenntnisse aus den Planungsunterlagen und Gesprächen die Katastrophe als „vorhersehbar“ hätten bewerten müssen.

Auf Seiten des Veranstalters wurden angeklagt:

  • der Gesamtleiter Kersten S.
  • der Technikleiter Günter S.
  • der Sicherheitsbeauftragte Lutz W.
  • der Produktionsleiter Stephan S.

Vorwürfe der StA: Alle Mitarbeiter des „Veranstalters“ hätten gegen Auflagen aus der Baugenehmigung verstoßen. Insbesondere die am Tag der Veranstaltung vorgenommene Verengung der östlichen Rampe durch aufgestellte Zäune von 18,28 auf 10,59 Meter (!) spielt hier eine zentrale Rolle. Es will aber natürlich keiner gewesen sein.

Allen zehn hier skizzierten Vögeln gehört ein (… der!) Prozess gemacht, bis zu dessen Ende sie aber als unschuldig zu gelten haben. Das ist der Rechtsstaat den Hinterbliebenen und Familien der Opfer schuldig. Aber so einfach ohne Verfahren, ja mei, sagt der Bayer, is hoid passiert, bled g’laffa – so geht’s nicht. Und natürlich machen auch Verurteilungen die Opfer nicht mehr lebendig, aber sie verhindern vielleicht, dass die dann Verurteilten auch in Zukunft noch Veranstaltungen „genehmigen“ und damit weitere Tote, Schwerverletzte und Verletzte vielleicht eines Tages erneut auf ihr Konto gehen.

Anmerkung: Der Artikel basiert auf Informationen zur Loveparade-Katastrophe, die unter anderem das „VPLT-Magazin“ in seiner Ausgabe Nr. 71 auf den Seiten 14 und 15 sehr gut zusammengetragen hat. Kompliment an die Kollegen dort, die nicht an der Ampel einer Pressemitteilung trotz grünem Signal freiwillig gestoppt, sondern sich getraut haben, weiterzufahren.

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