
Two of Britain’s finest zelebrieren auf einer Bühne ein Leben voller funkelnder Melodien
Madchesters Helden live in Manchester, zusammen mit einer weiteren nicht gerade unwesentlichen Band aus der Stadt, den Charlatans – das Setup der Minitournee der beiden Bands durch vier englische Städte klang verheißungsvoll und so war es kein Wunder, dass die Manchester Arena mit rund geschätzten 17.000 Fans so gut wie ausverkauft war. Eine perfekte Kulisse für die Erinnerung an vergangene Jahrzehnte. James machen seit 37 Jahren Musik und nicht nur die Band ist zwangsläufig in die Jahre gekommen, sondern auch ihre Fans, die an dem Samstag abend guter Dinge und mit James-T-Shirts über den pralleren Bäuchen sich vor der Show erstmal ein Weinchen gönnen.
Pünktlich geht’s gegen halb acht los, was nicht nur deutsche Fans begeistert, die Charlatans brauchen nur wenige Minuten, bis Sänger Tim Burgess der Chef in der Arena ist und seine Band mit einer Mischung aus lässiger Eleganz, enormen Druck und todschickem Groove ihren Britrave in das weite Runde blasen. „Let The Good Times Never Be Ending“ gerät früh zum Sing-A-Long, glänzende Augen bei den Zuhörern, seliges schwelgen in Nostalgie, wie schön. Natürlich waren die Hits der Band auch hier die Highlights, „North Country Boy“, wieder alle mal aufspringen und singen, am Ende „Sproston Green“ mit nicht enden wollenden Gitarrenwänden und einer glänzenden Hammondorgel, pumpende Rhythmen, Revitalisierung auf und vor der Bühne und den Rängen. Ein feines Set, mit dem die Charlatans die Messlatte an dem Abend gleich mal hoch legten.
Umbaupause, dann James. Gewohnt unberechenbar, was die Setlist angeht. Sänger Tim Booth weist ja immer gern und häufig daraufhin, dass die Band aus einem Topf von 100 Songs schöpfe und sich gern überraschend gebe. Aber natürlich, Paracelsus auch hier der Lehrmeister, alles in Maßen. Nach den brandneuen Stücken „Hank“ und „Picture Of This Place“, beide Trump gewidmet, an den in diesem Moment niemand, aber auch wirklich niemand denkt, gleich zwei „Das kemma doch juhu“-Wohlfühlduschen. Zuckende Leiber beim energetischen Gassenhauer „Ring The Bells“ inklusive obligatorischem Duell von Gitarre und Trompete, direkt danach „Sit Down“. Booth, singend und crowdsurfend, immer und immer, auch während dem Rest des Konzerts, den Kontakt mit dem Publikum suchend.

Das Energielevel bleibt auch nach dem alten Kracher, mit den für viele Fans die Freundschaft mit der Band begann, hoch. Zwischentöne und das feine, gewobene Poem sind an diesem Abend nicht auf dem Programm, Booth etwas dunkler gewordene Stimme wird, verstärkt von der großartigen Chloe Alper (bemerkenswert offen dazu Booths Statement: „She helps me catching the high-tones I can’t sing anymore“) nach vorne gemischt, alles röhrt, drohnt und rockt, ein großes Spektakel, wuchtig, imposant und im Stadionformat.
Booth und die Band haben von Takt eins an die Lage im Griff, und es ist vor allem imposant zu hören und zu fühlen, wie eine Band, die seit 37 Jahren Musik macht, sich live nicht zur Abspielstation von gut abgehangenen Songmeriten aus dem letzten Jahrtausend macht, sondern schlichtweg am Leben ist. Die Fähigkeit, quasi aus dem Nichts eine Flutwelle an musikalischer Energie zu schaffen und diesen Pegel spielerisch hoch und wieder niedrig zu halten, ist nach wie vor einzigartig und grenzt an Zauber. Was vor wenigen Minuten noch melodiös vor sich hin gleitet, wird im Nu groß, breit und wuchtig, mitreissend, was für eine Zaubershow, die Tim Booth da wissend lächelnd aufführt …
Zu hören ist dies in besonderem Maße bei dem energetischen „Moving On“ als auch beim „Klassiker“ „Sound“ aus dem Jahre 1992, beide getragen von Diagrams großartigen Trompetenspiel – ohne hier das Können von Larry Gott an der Gitarre und David Baynton-Power am Schlagzeug zu mindern.
21 Songs stehen auf der Setlist des Abends, sechs davon kommen vom neuen Album, die restlichen 15 aus nicht weniger als sieben verschiedenen Alben. Und so ist es eben nicht das jauchendze „Laid“ oder das aus 17.000 Kehlen lauthals mitgesungene „Sometimes (Lester Piggot)“, die unvergessen bleiben, sondern beispielsweise auch das auf dem neuen Album eher beiläufige „Many Face“. Der hymnisch vorgetrage und vom Publikum minutenlang nach dem Song gesungene Refrain …
There’s only one
Human race
Many faces
Everybody belongs here
… macht Gänsehaut und lässt Musiker wie Zuhörer zu einer zärtlichen Einheit verschmelzen. Großes Gefühlskino, Harmonie, Frieden und Zuversicht breiten sich wellenförmig aus. Momente voller Magie, Kraft und und Schönheit. Musik heilt, das wissen wir nicht erst seit Nordoff/Robbins, sie schafft Großes. So auch James an diesem kalten Dezemberabend in Manchester, in denen die Konzertbesucher gegen Mitternacht wieder entlassen werden. Aber nicht ohne etwas mitgenommen zu haben, noch auf dem Weg zur Bahn schallt es immer wieder aus den Gruppen „Sometimes, when I look deep in your eyes, I swear I can see your soul …“ Mit einem Lächeln auf den Lippen geht es nachhause, tief im Inneren mit dem Wissen, dass James mit ihren Songs und unglaublichen Konzerten wie diesem nicht nur auf Platz eins der am meisten unterbewerteten Bands liegen, sondern auch die Welt zu einem erträglicheren Ort gemacht haben. Thanks, boys.
The Charlatanes & James
Manchester Arena, 08.12.2018
Setlist The Charlatans
Totally Eclipsing
Let The Good Times Never Be Ending
One To Another
Tellin‘ Stories
Different Days
Future Tense
Plastic Machinery
The Only One I Know
North Country Boy
Weirdo
Ever Fallen In Love (With Someone You Shouldn’t’ve)
Not Forgotten
Sproston Green
Setlist James
Hank
Picture Of This Place
Ring The Bells
Sit Down
Heads
Stutter
Of Monsters & Men
Out To Get You
Laid
What’s It All About
Moving On
Leviathan
Nothing But Love
Attention
Sound
Come Home
—
How Was It For You
Don’t Wait That Long
Many Faces
Sometimes (Lester Piggot)
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