Dieter Gorny, Vorsitzender des Bundesverbands der Musikwirtschaft, hat in einem Interview mit dem „VPLT-Magazin“ interessante physikalische Theorien aufgestellt: So habe das Internet die Musik in Gas verwandelt, erklärt der Lobbyist. So, so …
Das Interview in der Märzausgabe der Fachzeitschrift, die vom Verband der professionellen Licht- und Tontechnik herausgegeben wird und auch generell sehr gut gemacht und lesenswert ist, hat es in sich. Gornys Gas-Theorie, ab jetzt kurz GGT genannt, mit seiner im Interview formulierten Kernaussage …
„Durch das Internet verwandelte sich Musik als Produkt von etwas, das man anfassen kann – in Form einer LP oder CD – in ein Gas. Insofern kommt das Internet der Musik wahrscheinlich viel näher als die CD, weil man Sie im Internet auch nicht anfassen kann“ …
… enthält so einiges, über das man nachdenken kann. Fangen wir mit einem Spaß an: Bedeutet die GGT, dass jeder, der sich mit Musik beschäftigt, ein Gaskopf und der Chef der Musikindustrie der oberste Gaskopf ist? Natürlich nicht, das wird Dieter Gorny nicht gemeint haben. Irritierender ist vielmehr, dass die Gas-Theorie den argumentativen Stand der Debatte ungefähr des Jahres 2001 wiedergibt, als erstmals auffiel, dass die Musik eines der Güter ist, das sich über das Netz nicht nur verkaufen, sondern auch distribuieren lässt. Das ist bereits lange her und so stellt sich die Frage, was die Wiederholung im Jahr 2010 bezwecken soll.
Ein Mantra? Dafür ist die Aussage zu simpel. Der zweite Satz der GGT erschließt sich zumindest der Kasse4 nicht, denn er würde, wenn er überhaupt Sinn macht, bedeuten, dass alles, was sich wie die Musik nicht anfassen lässt, also auch Liebe, Streit, Hass zum Beispiel, der Musik näher kommt als dem, in was es sich zuvor verwandelt hatte, nämlich das Produkt CD oder LP. Nun war die Musik aber nie ein Produkt, sondern eine CD oder LP das Medium, auf dem sie gespeichert wurde. Nicht mehr, nicht weniger. Wer der Kasse4 bis hierher nicht folgen konnte, muss sich keine Sorgen machen: Unsinn bleibt Unsinn, auch nach der Analyse.
Spannender wäre gewesen, aus der GGT hier die GLMLWT zu propagieren, die Gerd Leonhard’sche Music like Water Theory. Denn Leonhard (ein MusicFuturist, der den Namen verdient) hat, ebenfalls bereits vor einigen Jahren, Musik mit Wasser verglichen, also mit etwas, zudem jeder jederzeit Zugang hat (zumindest in den wohlhabenden Ländern) und das pauschal abgerechnet wird und nicht nach Menge. Der MusicFuturist, wie er sich selbst nennt, hatte da beispielsweise ein Fitness-Studio vor Augen, das den Service, seine Kunden nach dem Sport duschen zu lassen, pauschal in den monatlichen Abopreis einberechnet. Und nicht die verbrauchten Liter aufführt. Was also auf die Musik übertragen bedeutet, sie zur Verfügung zu stellen und per Pauschal-Abo abzurechnen. Ob dieses dann der Hörer oder ein sponsorndes Unternehmen bezahlt (Mobilfunkanbieter!) sei dahingestellt. Doch zur GLMLWT hört man allein aus Deutschland, dass sie zu kompliziert zu realisieren sei. Hören wir im gleichen Interview Dieter Gorny dazu:
„Ich finde zum Beispiel, dass eine Kulturflatrate (nichts anderes will die GLMLWT, Anm. der Kasse4) in die Irre führt. Aber wir müssen sie diskutieren“.
Jeglicher weiterer Kommentar erübrigt sich an dieser Stelle. Auch, weil Rettung naht:
„Wir basteln an neuen Geschäftsmodellen – Hausaufgaben, die den Film- und Buchleuten noch bevorstehen“.
Na dann ist ja alles gut, wenn die Musikbranche zum einen an neuen Geschäftsmodellen arbeitet (einen Vorschlag der Kasse4 gibt es ja dazu bereits: Das Verklagen von Filesharern, siehe Kasse4 vom 07.03.) und die anderen Entertainmentbranchen sich an dem leuchtenden Vorbild dann orientieren können, wenn sie ihre Hausaufgaben mal endlich mal erledigen, diese alten Schnarchnasen. Der Umsatz der Tonträgerbranche in Deutschland sinkt übrigens kontinuierlich seit gefühlt zehn Jahren. m.