Dark Dark Darks Album „Wild Go“ – Bald in Deutschland auf Tour: Musik von einem anderen Stern.
Das Personal an der Kasse4 liegt im Staub. Diese Kritik knieend vor Ehrfurcht und Respekt vor der künstlerischen Leistung zu schreiben, reicht nicht. Es muss der Staub sein, in dem wir liegen und ungläubig nach oben ins Licht blinzeln. Die Erscheinung hat einen Namen, …und ihr Name ist nicht Maria, auch wenn das Gesicht der Band eine junge Frau ist. Uns ist Musik erschienen, zehn Gebote, quatsch, zehn Songs aus Amerika, die Verfasser nennen sie „Wild Go“ und sich selbst Dark Dark Dark.
Wer, dem Namen entsprechend, nun einen faden Aufguss aus Dark-Wave-Düster-Hui-Buh-Gewixe, Mehlstaub und vor Selbstmitleid über die eigene unwichtige Existenz triefende in Noten gegossene Irrelevanz erwartet, irrt. Dark Dark Dark bieten eine bescheidene Mischung aus Pop, New Orleans Jazz, Balkan-Jazz, Americana und Folk, die unfassbar elegant miteinander verwoben ist und eine Sängerin, die auch mit den Großen ihrer Zunft wie Heather Nova in Konkurrenz treten könnte. Elegant ist jedenfalls ein Adjektiv, das zwangsläufig vor der Musik von Dark Dark Dark stehen muss. Ebenso wie:
schwebend
elegisch
leise
sphärisch
berührend
überirdisch
majestätisch
erhaben
… oder einfach: groß. Große Musik, ja, die ist, was Dark Dark Dark machen. Das gerät mitunter anspruchsvoll, meistens aber öffnet die Musik der Band direkt den Kanal zu den eigenen Gänsehaut-Schalter, dem Hahn für die eigenen, lange unterdrücktenTränen und der Steuerungszentrale für den eigenen Herzschlag. Es überwiegen schwebende Rhythmen, wir tanzen Walzer auf einer schneebedeckten Lichtung im Winter. Unsere Tanzpartner sind Sonnenstrahlen, die zwischen den schwarzen Zweigen durchbrechen. So oder so ähnlich hört sich das an.
Einen haben wir noch! Jaha, wäre die Musik ein Gedicht, und das ist sie an sich ja, sie wäre dieses:
Freudvoll und leidvoll
gedankenvoll sein
Hangen und Bangen
in schwebender Pein
Himmelhoch jauchzend
zu Tode betrübt
Glücklich allein
ist die Seele die liebt.
singt Clärchen im „Egmont“, 1789 war das. Ja, wir haben uns verliebt und vernarrt in Nona Marie Invie, Marshall LaCount, Todd Chandler, Jonathan Kaiser, Walt McClements, Brett Bullion, Adam Wozniak und Mark Trecka, so heißen die aktuellen Mitglieder der 2006 in Minneapolis gegründeten Band, die seitdem eine EP und zwei Alben auf Melodic (in Deutschland im Vertrieb von unseren Freunden bei Indigo) veröffentlichte. In Deutschland ist die Band weitestgehend unbekannt, indirekt hat ihr aber die Präsenz in zwei gewichtigen US-Serien weitergeholfen: Dark Dark Darks Song „Daydreaming“ ist in Staffel 7, Episode 7 von „Grey’s Anatomy“ zu sehen (hier anschauen – und den Kommentar eines Users („it could be such a nice serial without this lesbian episodes…“) nur denken, niemals aber laut aussprechen!)
Des weiteren war der Song auch in der ersten Staffel von „Switched At Birth“ (Folge 19) zu hören. Diese trägt by the way den schönen Titel „Protect Me From What I Want“, was uns wiederrum an welche Band erinnert? Richtig, Placebo. elfter Song auf der „Sleeping With Ghosts“. Zwei schöne Erfolge für eine Indieband. Doch zurück zum Album, dem zweiten der Band, das hier auf dem Kassenband liegen soll.
„Wild Go“ wartet also mit zehn mehr oder weniger genialen kleinen Kunstwerken auf, was das Hören am Stück zu einer nicht einfachen Aufgabe macht, allzu leicht ist man überfordert oder besser gesagt positiv überwältigt. Zum Beispiel, nachdem man nach dem leichten Opener „In Your Dreams“ auf „Daydreamer“ trifft: Ein ruhiges Klavierintro, unterlegt mit leichten Schlagzeugstreichen, macht den Weg frei für den klagenden Gesang von Invie, die ihrem Liebhaber, Lover, Freund, wir wissen es nicht, hinterhertrauert. Die durch eine Landschaft spaziert und dabei sinniert, wieviel an Erinnerung in jedem Stein und jedem Baum steckt. „Oh, what if you knew, what it meant to me“ singt sie, immer wieder, weist auf „all the unspeakable things“ hin und offenbart in ihrer Stimme nicht nur Traurigkeit und Fassungslosigkeit, sondern auch Stärke, die nach dem Abklingen des Entsetzens wieder zu Tage treten wird. Das alles in mit wenigen Worten und mit feinsten Nuancen, unfassbar.
Nach drei weiteren Songs (die ebenfalls der Rede wert sind), dann die zweite Begegnung der übernatürlichen Art mit Sängerin Invie: Erneut ein sanft rollendes Klavierintro und streichelnde Schlagzeugbesen, das Akkordeon kommt erst viel später dran, und sie singt. Sie singt. Und singt. Aber wie sie singt. Aber wie … Verletztheit, Schmerz, Trauer, Schönheit, aber wieder diese Stärke, die zu sagen scheint: „Du kriegst mich nicht für immer, Schmerz“. „I danced like this … for me. For me. Don’t fool me in, Let me be“, begleitet von sanften Backgroundchören, Weltuntergang und Morgenröte nach einer Nacht voll Schrecken und Kälte gleichermaßen. Zum Weinen schön.
„Heavy Heart“ – Ein Klavier, an dem Ernst Horn seine Freude hätte, elegant schwebend. „Celebrate“, ein kleines Kunstwunder mit Akkordeon. „Nobody knows“, was für ein Song von einem „sorry girl“. „Right Path“, richtig lebendig, „Say The Word“, fast zum tanzen. „Wild Go“, ein Traum. Heather Nova bei „Doubled Up In Love“ im Hinterkopf. Wunder um Wunder auf dieser Platte.
Dark Dark Darks Musik ist sicherlich in der Grundtendenz traurig, ein Sauflied sucht man auf der Platte ebenso vergeblich wie die neue Vereinshymne des Fußballvereins 1860 München, aber sie ist nicht pathetisch. Sie suhlt sich nicht im Schmerz oder türmt haushohe Klangwände und sonstigen Bombast auf, wie das beispielsweise Placebo auf der „Battle For The Sun“ mitunter tun („Julien“ oder „Speak In Tongues“).
Kein Breitwandvorschlaghammer, eher Florett als Degen. Die Band hat eine Sängerin, deren Stimme nicht nur die Vorwärtsgänge, sondern auch das Grau zwischen dem Weiß und dem Schwarz kennt. Die verletzt UND gleichzeitig stark klingen kann. Was beispielsweise Heather Nova, die entweder sexy oder süß oder unschuldig klingt, aber niemals mehrere Gefühle auf einmal in ihrer Stimme unterbringt. Genauso wie Amy (M… oder W…., egal), wie Alanis, wie nahezu alle anderen. Invie rules, aber wie!
Der Schmerz ist echt und er ist nicht schön. Er wird gelebt, verarbeitet und dann wird wieder nach vorne geblickt. Danke für dieses großartige Stück Musik.
Dark Dark Dark kommen, welche Freude, dem Konzertveranstalter FKP Scorpio sei dank, für zwei Konzerte nach Deutschland. Die Termine:
14.05. Wiesbaden, Kulturpalast
15.05. München, Strom
Tickets unter: www.fkpscorpio.de