Buchkritik: Joachim Mischke – Hamburg Musik!

Das vorliegende Buch fand als Geschenk, nett auf dem Schreibtisch eines Zimmers im Hamburger Hotel Lindner drapiert und mit einem Brief des Präsidenten …… des Live Entertainment Award Committee e.V. versehen, seinen Weg an die Kasse4. Es dokumentiert die Geschichte der Musik in der Stadt Hamburg während der letzten rund 300 Jahre. Der Aufbau ist chronologisch und je nachdem, wofür man sich interessiert – Brahms oder Dendemann, Lotto King Karl oder Mendelssohn – liest man die Kapitel mit mehr oder weniger Vergnügen. Mischke hat jedenfalls als Autor gute Arbeit geleistet, fleißig Fakten gesammelt und diese lesbar zu einer Story verknüpft. Das kann man auch als Nicht- oder Wahl- oder Zeitweise-Hamburger lesen, insbesondere, wenn man neugierig ist, wie der Zeitgeschmack und die Vorlieben der jeweiligen Gesellschaften ihren Einfluss auf die Spielstätten Hamburgs und die Popularität mancher Künstler in Hamburg nahmen. Futter dafür bietet das Buch reichlich und Hamburg an sich hat ja auch mit Künstlern wie Udo Lindenberg, Jan Delay, Lotto King Karl, Stefan Gwildis (jaha!), Jochen Distelmeyer, Ina Müller, Dendemann, Ferris MC und so weiter und so weiter viele Persönlichkeiten zu bieten.

Gruselig fällt das Kapitel über die Nazizeit aus: „Der suspekt-bourgeoise Begriff ‚Feuilleton‘ musste durch die ‚Erlebnisbetrachtung‘ ersetzt werden. Aus Rezensenten wurden ‚Kunstbeobachter'“ (S. 208). Ein hübsches Fundstück, das uns Joachim Mischke präsentiert, ist beispielsweise das Zitat aus einer Kritik der (1966 eingestellten) Tageszeitung „Hamburger Abendcho“. Der Rezensent schrieb über die Aufführung von Stockhausens Stück „Mixtur“:

„Wer auf dem Dom in der Geisterbahn und im Lachkabinett war, dem braucht der Rezensent nicht mehr viel über dieses Konzert erzählen.“

Ein Urteil, das man mitunter auch im 21. Jahrhundert gebrauchen kann …

Oder hier, aus dem Jahr 1974:

„Als drei Jazz-Veteranen – Buddy Tate, Jo Jones und Milt Bruckner – im Onkel Pö auftraten, waren, wie Michael Naura (Jazzredakteur, NDR, Anm. der Kasse4) später schrieb, „die 150 Hamburger, die sich im Pö wie die Kieler Sprotten pressten, für drei Stunden in Papuas verwandelt, auf deren Lichtung zum ersten Mal ein Flugzeug landet“.

Oder auch herrlich, einige Meinungen zur Premiere von „Cats“ in Hamburg am 18. April 1986: „Man hat mit diesem Premierenerfolg einen Schlüssel für die Verwandlung von tönendem Nichts in klingende Münze zur Hand“ (FAZ), „Musik, zu deren Gunsten nur spricht, dass sie nicht auffällt. Allerdings fördert sie die Langeweile der Aufführung ebenso wie das ständige Halbdunkel die Neigung zu Schläfrigkeit“ (Tagesspiegel). Und zu guter letzt die „SZ“ über das Musical „Ich war noch niemals in New York“: „Nach den drei Stunden möchte man sich am liebsten sofort scheiden lassen, ein paar tausend Stahlarbeiter feuern und ein paar politisch verfolgte Aidswaisen steinigen – zum Ausgleich für so viel Liebe und Versöhnung“. Alles gefunden in – „Hamburg Musik!“

Fazit: Pflichtlektüre für alle, die nicht im Hanseviertel arbeiten, kann-durchaus-Sinn-machen-Lektüre für Musikjournalisten und nice-to-read-Lektüre für alle anderen Kulturbeflissenen. ms

Joachim Mischke: Hamburg Musik!, gebundene Ausgabe, 400 Seiten, erschienen im Februar 2008 bei Hoffmann und Campe.

Infos zum Buch bei Hoffmann und Campe (Verlag)

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