Sophie Hunger in München: Groß, ganz, ganz groß

Anderswo tobte an dem Tag das Oktoberfest beziehungsweise ein Konzert von Goldfrapp, in der Freiheizhalle gab es am 4. Oktober aber das Kontrastprogramm: Die junge Schweizer Songwriterin Sophie Hunger. Sie war – unglaublich!Vereinfacht gesagt kann man sich das Konzert so vorstellen: Eine junge, sehr hübsche Frau, züchtig in ein hochgeschlossenes rotes Kleid gehüllt, steht mit einer Mischung aus Neugier und Lust, sich auszutoben, auf einer Bühne. Spielt Gitarre, spielt am Klavier, singt, interpretiert ihre eigenen Songs, gibt mal das rockende Indie-Girl, mal die verletzliche Schöne aus dünnem Porzellan, die ihr Herz ausschüttet. Natürlich weiß man als Zuhörer oder Zuschauer nicht immer, wovon sie da gerade singt. Meist auf englisch, einmal (mit dem wunderbaren Noir-Desir-Cover „Le Vent Nous Portera“) auf französisch, einmal auf deutsch („Walzer für niemand“).

Ce parfum de nos années mortes
Ce qui peut frapper à ta porte
Infinité de destins
On en pose un et qu’est-ce qu’on en retient?
Le vent l’emportera
(aus: „Le Vent Nous Portera“)

Aber man spürt, dass da jemand auf der Bühne steht, für den Musik das Wasser ist, in dem er schwimmt, und dass er das so gut kann, als sei er als Delphin bereits geboren, oder als Wasser-Mächtiger, der mit und in seinem Element machen kann, was er will.

Knapp eineinhalb Stunden lang schüttet Hunger (die übrigens nicht, wie mancherorts behauptet wird, „Sofui Hunga“ heißt… :-)) also ihr ganz persönliches Füllhorn mit Klavierballaden, Indierockern, Indiepop, Gitarren-Balladen, Chansons und vielen anderen musikalischen Kabinettstückchen aus. Man sieht, hört, staunt und verliebt sich mit offenem Mund, so weit das überhaupt technisch geht. Dabei serviert die Kleine, die wie 17 aussieht und doch schon 27 ist … (einmal darf die Kasse4 sie „Kleine“ nennen, das muss einfach sein!) sehr, sehr anspruchsvolle Kost – mit mitsingen oder tanzen oder mitklatschen ist nicht viel los an dem Abend. Es ist ihr Kosmos und nicht der des Publikums, der da ausgebreitet wird, take it or leave it, sozusagen. Es klingt nach Diana Krall, nach Element Of Crime – aber das war es dann auch schon an Eselsbrücken für die Zuhörer. Der Rest ist Sophie Hunger. Punkt.

Das Lob und der Dank für einen spektakulären Abend, den übrigens der Münchner Konzertveranstalter Südpol Music möglich gemacht hatte und der rund 600 Besucher anzog, gebührt aber auch Hungers wundervoller Band, die der Schweizerin auch abseits der Bühne nahesteht: Zu nennen sind vor allem Christian Prader am Mikro, an der Flöte und an der Gitarre sowie Michael Flury an der Posaune. Beide haben mit Hunger auch an ihren Alben mitgearbeitet und erweitern den Hunger’schen Kosmos mit ihrem Spiel ungemein. Vergleichbar mit dem Spiel Richard Pappiks, Jakob Iljas und David Youngs bei Element of Crime, drei Musiker, die rund um das einstige Genie in ihrer Mitte unauffälig, aber kongenial wirken. Besonders Flury kommt bei Sophie Hunger eine herausragende Rolle zu: Als Posaunist übernimmt er die Parts, die anderswo mit einer Leadgitarre in den üblichen Indiebratz veranwandelt werden würden. Nur, dass eben eine Posaune quasi eine Leadgitarre mit eingebauten warmen Flächen und einem natürlichen Ton ist. Ein klasse Instrument.

Es war also: wunderbar. Danke. ms

2 Kommentare zu „Sophie Hunger in München: Groß, ganz, ganz groß

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