Nach 30 Minuten Blabla zu Beginn der Sendung war das Rennen um den „Song für Deutschland“ eröffnet: Die erste Show zur Suche nach Lenas Song für den Eurovision Song Contest geriet elend lang (135 Minuten, gefühlte sieben Werbepausen), war aber dank der Qualität der Songs vergnüglich. Die Kasse4-Kritik des Abends – ehrlich und direkt.
Ins Finale kamen „Taken By A Stranger, „Maybe“ und „What Happend To Me“ – also zweimal Qualität und einmal Bullshit.
Die Songs aus Runde 1 in der unbestechlichen Kassenwertung:
Platz 1
„Taken By A Stranger“: Ganz, ganz großes Kino: Herzklopfen, Spannung und Mystery, Hypnose. Interessant ist, dass dieser Song am Abend der erste war, der mit Tänzerinnen auf der Bühne und einer großen Kulisse aufgewertet wurde. Für alle Tauben sozusagen, damit die auch merken, für welchen Song sie anrufen müssen. Der Beat ist jedenfalls klasse, der Song von einem ganz anderen Kaliber wie der Rest an dem Abend. Abgesehen davon, dass „Taken By A Stranger“ von seiner Art her so gut zu einem Eurovision Song Contest passen würde wie ein Song von Element Of Crime zu The Dome. Aber das macht (noch) nichts.
Platz 2
„I Like You“: Sehr catchy, passend zu Lena, ein schöner kleiner-feiner Song, der perfekt zu Lenas gesanglichen Fähigkeiten passt. „I Like You“ kommt schnell zum Refrain und ist sehr einprägsam. Klasse!
Platz 3
„Maybe“: Der Song knödelt an sich um den Sieg, ist sehr brauchbar und wäre perfekt für ein Temperament und eine Stimme, wie sie Shakira hat. Unsere Shakira aus Hannover machte daraus immerhin einen respektablen Ohrwurm, der durchaus Chancen hat, da er den Mainstream nicht überfordert. Lenas Outfit bei der Performance spottete jeglicher Beschreibung, in Rock und Strumpfhosen sah sie so aus, wie Jennifer Braun aussehen würde in diesen Klamotten. Und das ist sozusagen die Höchststrafe.
Platz 4
„Good News“: Lena zu Beginn der Sendung verkleidet als griechische Säule im fleischfarbenen Kleid; sie sah aus wie zwei Meter 50 groß – und wie festgenagelt am Bühnenboden. Der Song an sich ist gut und charming, aber viel zu schwierig für unsere Königin Europas beziehungsweise passt nicht zu ihrem Lebensalter. Bei dieser Nummer wurde deutlich, dass Lena zwar gesangliche Fortschritte gemacht hat, dass es aber für die ganz schweren Nummern bei weitem noch nicht reicht, was Nuancen und Ausstrahlung ihrer Stimme angeht. Muss es aber auch nicht.
Platz 5
„What Happened To Me?“: Nach Aussagen des Senders eine von Lena mit Unterstützung von Raab selbst gschriebene Nummer. Das Tollste daran war, dass Lenas wunderbares Gymnasiastinnen-Englisch wieder hervorkam: „What happened to me todaaa-ihhhh“ sag die Gute und eben nicht „to-dääih“. Das war es aber auch schon, der Song langweilte bereits nach der Hälfte, ist belanglos, eher dümmlich und ohne Substanz. Geträller unter der Dusche, eine so billige Nummer wird ihr nicht gerecht.
Platz 6
„That Again“: Was für ein Durcheinander und wildes Zusammengewürfel: Xylophon-Geplinge, Keyboard-Geschwurbel, funky Bass, schwülstige Flächen, alles neben- und übereinander. Dazu sah Lena bei der Performance wie eine 11-Jährige aus, die in Mamas Kleiderschrank gefallen war und sich mit dem Geschmack, den man in diesem Alter hat, bediente. Die Haare zum Pferdeschwanz gebunden – was war das denn? Ihr Style jedenfalls nicht, nicht nur ihr Gesichtsausdruck am Ende verriet, dass sie dazu wohl überredet wurde. Ach ja, der Song wurde von Stefan Raab geschrieben.
Ein paar Sätze zur Jury: Stefanie Kloß (Silbermond) und „Der Graf von Unheilig“ arbeiteten während der Sendung hart und konsequent daran, jeden davon zu überzeugen, dass man keine Jury braucht – soviele geheuchelten Unsinn, soviele Phrasen und Lügen hat man selten gehört wie in dieser Sendung. Ob das nun der „Graf“ war, der in „I Like You“ einen Song mit „Ecken und Kanten“ erkannte (!) oder Kloß, die bei „That Again“ konstatierte, dass Lena souverän die Big Band hinter sich geführt hatte (!!!) – es war unerträglich. Dass die beiden Lena nicht wehtun wollten, ehrt sie – aber wofür man dann eine „Jury“ braucht, die per se kritisch zu sein hat, sei dahingestellt. Ach ja, einen haben wir noch: Den „Grafen“, der wiederrum zu „That Again“ anmerkte, dass man bei diesem Song berücksichtigen sollte, dass sich bei ihm die Künstlerin in besonderen Maße eingebracht habe. Wer Lenas Gesichtsausdruck nach dem Song sah, wußte, dass exakt das nicht der Fall gewesen sein konnte. Gut beobachtet, „Graf von Unheilig“!
Fazit des Abends: Alles gut soweit, die Songs konnten sich hören lassen und der Blick hinter die Kulisse der Songwriter war interessant. Mal sehen, was die zweite Runde bringt. Sicher scheint: Man kann sich auf Lenas Album freuen, wenn das so weiter geht. Weiter geht’s am 6. Februar! ms
UPDATE: Die TV-Quote der ersten Show lag bei 2,56 Millionen (7,9 Prozent Marktanteil) und damit in der Range der ersten Show von „Unser Star für Oslo“, die im Februar 2010 2,62 Millionen Zuschauer hatte.
UPDATE 2: In einem wunderbaren Beitrag in der FAZ schließt sich heute („Auf der Suche nach dem verlorenen Lied“; FAZ vom 02.02.11) Autor Dieter Bartetzko nicht nur der Einschätzung der Kasse4 an, sondern schreibt auch ebenso elegant wie treffend:
Noch zwei Shows, dann wissen wir und weiß sie, ob Kalkül oder Gesprür, das Fremde oder Fremdbestimmung siegen“.
Well said.
Fotocredit: ProSieben/Willi Weber. Dieses Bild darf bis Ende Februar 2011 honorarfrei fuer redaktionelle Zwecke und nur im Rahmen der Programmankuendigung verwendet werden. Spaetere Veroeffentlichungen sind nur nach Ruecksprache und ausdruecklicher Genehmigung der ProSiebenSat1 TV Deutschland GmbH moeglich. Verwendung nur mit vollstaendigem Copyrightvermerk. Das Foto darf nicht veraendert, bearbeitet und nur im Ganzen verwendet werden. Es darf nicht archiviert werden. Es darf nicht an Dritte weitergeleitet werden. Voraussetzung fuer die Verwendung dieser Programmdaten ist die Zustimmung zu den Allgemeinen Geschaeftsbedingungen der Presselounges der Sender der ProSiebenSat.1 Media AG.
Absolut auf den Punkt gebracht!
Ich persönlich hatte auch das Gefühl, das die „Jury“ die im Vorfeld getroffene Songauswahlkompetenz des Stefan Raabs nicht zu sehr in Frage stellen wollte. Als der Graf ein einziges Mal einen Song in einer Winzigkeit kritisierte, war Raab schon fast ein wenig beleidigt- und gab contra! Mit dem großen und mächtigen Stefan Raab wollte man es sich dann doch nicht verscherzen, schließlich will man ja auch zukünftig medienwirksam einem Millionen-Pro7-Publikum präsentiert werden – die nächste Crash-Car-Challenge kommt bestimmt!
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besser hätte ich es nicht sagen können, willkommen an der kasse4, Du Kassierer 🙂
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