Hysterie als Medieninhalt

Rezension: Silke Burmesters kleines Pamphlet „Beruhigt Euch!“

Sich ein wenig weniger Sorgen zu machen, wird Deutschen ja allgemein öfters ins Gebetbuch geschrieben. Denn der Deutsche an sich wird erst dann lebendig und agil, wenn er Angst hat …(Stichworte: Lebensmittel, Krankheiten, Terror) oder wenn sein Alltagsleben gestört wird (Wetterkatastrophen, Niederlagen des FC Bayern München, Benzinpreis). Die Neigung deutscher Medien, aus Mücken Elefanten zu machen, um Einschaltquoten zu erziehen oder Magazine zu verkaufen, befeuert dies (die intelligenteren unter uns raunen jetzt gerade: Ein Teufelskreis!) noch zusätzlich. Höchste Zeit also, dass sich smarte Medienprofis wie die Journalistin Silke Burmester zu Wort melden und propagieren: „Beruhigt Euch!“

Burmesters schmales Büchlein, das 2012 bei Kiepenheuer & Witsch erschien (hier kaufen), pickt elf Themen auf, die die Bevölkerung in den vergangenen Jahren und auch heute noch regelmäßig auf die Palme bringen, elektrisieren beziehungsweise in den Sorgenkeller treiben:

Naturkatastrophen
Muslime
Social Media
Kindererziehung
Mode
Epidemien
Märchenhochzeiten Adliger
Sex
Apple
Terroranschläge
Hungersnöte oder Postkriegstraumata

Jedes Kapitel ist kaum mehr als zwei Seiten lang, Burmester schreibt locker und ironisch, ohne zu zynisch oder böse zu werden, Lektüre, wie man sie aus den etwas besseren Frauenzeitschriften zur Genüge kennt. Das ist sehr unterhaltsam, teilweise auch komisch und originell, so liest man beispielsweise als Randbemerkung über den hysterischen Auftritt von Barbara Schöneberger am Rande der Hochzeit von Kate und William:

Bei diesem Unterfangen bestätigte sie das Phänomen der Moderne, dass Frauen auch dann noch schreien, denn sie vor einem Gerät stehen, dessen Aufgabe es ist, Töne lauter zu machen!“

Oder über Redakteure, die Frauen Ratschläge für ein aufregenderes Sexualleben geben:

Wie sich der ‚verführerische Tanz, der ihm die Sinne raubt‘ mit einer  mittelalten, normalgewichtigen Frau, die womöglich nach einem Bandscheibenvorfall steif in der Hüfte ist, darstellt, das möchte sich wohl auch die Redaktion nicht vorstellen“

Über Wortgeplänkel und ironische Frotzeleien kommt die Autorin leider nicht hinaus, es bleibt bei der eloquenten Beschreibung der Hysterieszenarien. Das war es dann auch, 35 Seiten, Schluss. Schade einerseits, anderseits zu nett zu lesen, um sauer zu werden. Aus dem Thema Medienhype kann man dennoch mehr machen und die Kasse4 würde sich freuen, bald mehr von Frau Burmester zu diesem Thema lesen zu können.

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