Damals und heute (1): Die Musikbranche

Der amerikanische Blogger Bob Lefsetz hat vor kurzem eine kleine Reihe gestartet, die im Netz ein großes Echo hervorrief: Unter dem Titel „Then / Now“  schrieb er – prägnant und lustig wie immer – darüber, wie sich die Tonträger- und Live-Industrie in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Die Kasse4 steuert gern zu Ehren des großartigen Bloggers ein „Damals und heute“ über Musik und Konzerte bei. 13 Weisheiten zur Diskussion und Ergänzung.

DAMALS
Nervte Mola Adebisi als VIVA-Moderator die junge Nation und wurde zur Grundausstattung jeder guten Dartscheibe.

HEUTE
VIVA ist tot und Geschichte. Mola Adebisi nervt noch immer und die nunmehr nicht mehr junge Nation bedauert, dass Adebisi jüngst beim Promiboxen nicht endlich mal so richtig eine auf’s Maul bekommen hat und statt dessen Deyle ausknockte, wofür man ihn schon fast wieder lieben müsste. Aber nur fast.

DAMALS
War Tim Renner Chef bei Universal Music, erfolgreich und maßlos überschätzt.

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Tim Renner wird immer noch überschätzt; ob er erfolgreich oder wessen Chef er ist, interessiert aber keinen mehr. Selbst Feilletonisten haben es aufgegeben, ihn zur Lage der Musikbranche zu befragen.

DAMALS
Marek Lieberberg war der erfolgreichste und einflussreichste Konzertveranstalter Deutschlands.

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Marek Lieberberg ist der erfolgreichste und einflussreichste Konzertveranstalter Deutschlands.

DAMALS
CDs oder Schallplatten wurden an einem Montag veröffentlicht, man wartete ungeduldig, bis die Läden endlich die Türen öffneten.

HEUTE
Alben werden an einem Freitag veröffentlicht, um den Wochenend-Käufer zu erreichen, und niemand wartet mehr. Worauf auch?

DAMALS
Ein Künstler oder eine Band war eine große Nummer, hatte es „geschafft“, wenn er oder sie die Top-100 der meistverkauften Alben Deutschlands erreicht hatte und einen „Chartentry“ feiern konnte.

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Es bedeutet gar nichts, wenn eine Band die Top-100 erreicht, da es im Bereich des Möglichen ist, dass sie dennoch nur zwei- oder dreihundert Platten verkauft hat.

DAMALS
Dieter Gorny clownte durch die Branche, war VIVA-Chef und ließ richtig gutes Fernsehen machen.

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Dieter Gorny spricht für das, was von sich behauptet, der Bundesverband der Musikindustrie zu sein und clownt als Sigi Pop der Branche (noch, siehe „Tim Renner“) durch die Feuilletons.

DAMALS
Konzerttickets waren bunt und wurden nach dem Konzertbesuch gerahmt und an die Wand gehängt.

HEUTE
Konzerttickets sind computergrau und sehen scheiße aus. Fans, die es bunt haben wollen, wird für ein buntes Ticket Extra-Kohle aus der Tasche gezogen.

DAMALS
Moderator Peter Urban kommentierte das Finale des Eurovision Song Contest und begeisterte uns mit seinen klugen, ruhigen und witzigen Kommentaren zu den einzelnen Beiträgen.

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Moderatorenlegende Peter Urban kommentiert das Finale des Eurovision Song Contest und begeistert uns mit seinen klugen, ruhigen und witzigen Kommentaren zu den einzelnen Beiträgen.

DAMALS
Köln hatte im August die Popkomm und das Ringfest, die Stadt am Rhein vibrierte und war Musik.

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Köln hat unwichtige Musikkongresse, das Ringfest und keine Popkomm. Die Messe hat sich abgeschafft, genauso wie ihre Begründer.

DAMALS
Berthold Seliger holte als Konzert- und Tourneeveranstalter die wegweisenden und innovativen Künstler und Bands nach Deutschland.

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Berthold Seliger holt als Konzert- und Tourneeveranstalter die wegweisenden und innovativen Künstler und Bands nach Deutschland und entzückt mittlerweile die Branche auch als bloggender (oder besser gesagt newsletternder) Querdenker, dessen Thesen man nicht teilen, immer aber ernst nehmen muss.

DAMALS
Das Casting-Format „Popstars“ hatte echte Profis in der Jury und brachte echte Bands hervor. Danke Mario Mendrzycki, danke No Angels.

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Die Casting-Formate rufen selbst in der Darstellungsform der gescripteten Hartz4-Musicals nur Gähnen hervor und bringen nicht mal mehr Musiker hervor; in den Jurys sitzen Schwätzer und Clowns.

DAMALS
Ein Konzert war ausverkauft, wenn alle Tickets verkauft waren.

HEUTE
Ein Konzert ist ausverkauft, wenn alle Kontingente für Sponsoren, Kreditkarten- und Bonusprogrammbesitzer verteilt, Kontingente für spätere Spekulationen und Auktionen eingeteilt und zurückgehalten und der Rest online verkauft wurde, danach „Holes“ beseitigt wurden, ein weiteres seperat zurückgehaltenes Kontingent auktioniert oder verkauft wurde. Und so weiter. Gelegentlich leider nach dem Grundsatz, dass nur eine zu Tode gemolkene Kuh eine gute Kuh ist und es die Berufsehre des Eintrittskartenverkaufenden (die Kasse4 wählt hier bewußt einen unspezifischen Ausdruck und nicht die sonst üblichen Branchenbezeichnungen) geradezu verlangen würde, die Kuh totzumelken.

DAMALS
Die deutsche Ausgabe des „Rolling Stone“ war wichtig, wegweisend und wurde heiß erwartet jeden Monat.

HEUTE
Die deutsche Ausgabe des „Rolling Stone“ bedient die Ewiggestrigen unter den Musikfans und niemand erwartet sie mehr. m.

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